„Demütigend war das“: Was lesbische Paare mit Kinderwunsch erleben müssen

Dem Wohlwollen von Jugendamt und Gericht ausgeliefert: Unsicherheiten und Demütigungen gehören noch heute zum Alltag vieler homosexueller Menschen mit Kinderwunsch. Die Reformpläne zum Abstammungs­recht könnten die Situation vieler Eltern und Kinder in Regenbogen­familien künftig verbessern. Eine Familie berichtet.

An den Morgen im Kreißsaal erinnert sich Katharina Schmidt* ganz genau: zuerst das Köpfchen, die ersten Schreie, Tränen, Freude. Sie hat die Nabelschnur durchgeschnitten, den kleinen Paul im Arm gehalten. Doch Mutter war sie zu diesem Zeitpunkt nicht – zumindest nicht im rechtlichen Sinne. Denn noch sieht das Recht in erster Linie vor: Familie, das sind Vater, Mutter, Kind.

Obwohl heute viele Kinder und Erwachsene selbstverständlich in ganz unterschiedlichen Konstellationen zusammenleben, als Regenbogen- oder Patchworkfamilien zum Beispiel, finden sie im Familienrecht kaum Entsprechung. Für Menschen in homosexuellen Partnerschaften ist der Weg zur Elternschaft daher besonders mühsam.

Doch wenn es nach den Plänen von Justizminister Buschmann geht, könnte sich das in Zukunft ändern. Dieser hatte im Januar die Eckpunkte zur Reform des Abstammungs- und Kindschaftsrechts vorgestellt. Darin vorgesehen ist unter anderem, lesbischen Mitmüttern wie Katharina mehr Rechte zuzugestehen und damit zumindest einen Teil der Diskriminierung homosexueller Menschen zu beenden. „Das wird auch Zeit“, kommentiert Katharina Schmidt. Ihre Erfahrungen zeigen, wie weit entfernt die Gleichstellung homosexueller Paare lange Zeit war – und auch heute noch ist.

Hürden und Diskriminierung

Gemeinsam mit ihrer damaligen Frau Dana hatte sich Katharina vor mehr als elf Jahren intensiv auf diesen Julimorgen im Kreißsaal vorbereitet. Zeit, Geld und Nerven hatte die Familienplanung gekostet. Und auch nach der Geburt sollten noch weitere Monate voller Ungewissheit folgen. „Demütigend war das, was wir erlebt haben, anders kann ich es nicht ausdrücken“, sagt die 44‑Jährige.

Schon der Weg zur Schwangerschaft war gesäumt von Hürden und Diskriminierungen. Etwa beim Thema Geld: Während die Krankenkassen Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch, die mit einem Mann verheiratet sind, finanziell unterstützen, tragen Frauen in lesbischen Beziehungen die Kosten für die Kinderwunsch­behandlung meistens selbst. Ein Umstand, an dem die Familienplanung bereits scheitern kann und der bislang auch bei Reformvorhaben nicht berücksichtigt wird.

Katharina und ihre Frau hatten dank ihrer Verbeamtung sichere Jobs und ein paar Rücklagen. Sie konnten sich daher auf die Suche nach einer passenden Klinik machen. Auch das war allerdings nicht einfach. Vor über zehn Jahren, als sie mit der Familienplanung anfingen, mussten die Schmidts sogar quer durchs Land in die Hauptstadt fahren. Nur dort fanden sie eine Ärztin, die auch ohne psychologische Vorgespräche bei Dana die Insemination durchführen würde.

Unpassende Kommentare

Eine weitere Hürde, die auch der Justizminister so schnell nicht aus dem Weg räumen wird: die unpassenden Kommentare und Angebote, die lesbische Frauen mit Kinderwunsch zuweilen erhalten. Von Kollegen, von Ehemännern ihrer Freundinnen oder auch von Menschen, auf deren Hilfe sie angewiesen sind. An eines dieser Angebote erinnert sich Katharina noch sehr genau.

Die Samenspende für Danas Schwangerschaft lief anonym über eine Samenbank, der Kauf der Spende sollte notariell beglaubigt werden. Der Termin zur Unterschrift verlief jedoch anders als gedacht. „Der Notar fragte, warum wir uns nicht vorher gemeldet hätten“, erzählt Katharina, „schließlich wäre er früher doch der Besamer vom Dienst gewesen.“ Statt sich zu wehren folgte ein peinlich berührtes Lächeln, sagt Katharina. Sie brauchten schließlich die Unterschrift.

Stiefkindadoption kann Jahre dauern

Einige Wochen später war Dana schwanger. Doch bis Katharina auch ganz offiziell Mutter werden konnte, sollten noch viele Monate vergehen. Denn bislang wird nur der Vater des Kindes automatisch durch Ehe oder Vaterschafts­anerkennung zum zweiten rechtlichen Elternteil neben der leiblichen Mutter. Will aber eine Frau gemeinsam mit der leiblichen Mutter das Kind großziehen, geht dies rechtssicher nur über eine Stiefkind­adoption – ein Prozess, der Monate oder sogar Jahre dauern kann und den viele Menschen als demütigend empfinden. Und der nun verändert werden soll.

„Bislang ist es meistens so: Wer als lesbische Frau ein Kind möchte, muss sich gesundheitlich durchchecken lassen, die finanzielle Situation offenlegen, mit Personen vom Jugendamt sprechen und die eigene Philosophie offenlegen“, erklärt Sarah Ponti, Referentin im Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD). „Und am Ende sind sie dem Wohlwollen von Jugendamt und Gericht ausgeliefert, ob sie als zwei Frauen mit einem Kind eine Familie sein können oder nicht. Das ist diskriminierend.“

Eine Erfahrung, die auch Familie Schmidt machen sollte. „Wir mussten einen sozialen Lebenslauf schreiben, in dem wir dem Jugendamt darüber Auskunft erteilen, wie wir selbst aufgewachsen sind, wie uns unsere Eltern erzogen haben und wann sie in Rente gegangen sind“, erzählt Katharina. „Wir mussten alles preisgeben. Und zwar wir beide, also selbst meine zum damaligen Zeitpunkt noch Ehefrau und leibliche Mutter des Kindes. Das war schon völlig schräg.“

„Jedes Hetero-Paar bekommt einfach ein Kind“

Einige Monate nach Pauls Geburt kündigte sich dann das Jugendamt zum Hausbesuch an. Die Mitarbeiterin maß die Deckenhöhe und die Länge des Kinderzimmers, inspizierte die Steckdosen und wollte wissen, wie die beiden Frauen dem vierjährigen Paul erklären würden, wo sein Vater wäre. „Jedes Hetero-Paar bekommt einfach ein Kind. Ich aber musste nachweisen, dass ich fähig bin ein Kind zu erziehen“, so Katharina, übrigens selbst Pädagogin. „Das empfand ich als als absolut übergriffig und extrem ungerecht.“

Ein weiteres Problem: Solange das Adoptionsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, hat die Mitmutter keinerlei rechtliche Befugnisse. Katharina und ihre Frau wollten sich vor der Geburt absichern, für Paul im Falle des Falles alles regeln. Unmöglich zu diesem Zeitpunkt. Wäre der leiblichen Mutter Dana etwas passiert, hätte Paul keinen gesetzlichen Vormund gehabt.

Automatisch auch Mutter

Auch darum begrüßen Expertinnen wie Sarah Ponti die nun vorgestellten Reformpläne. „Grundsätzlich gehen diese in die richtige Richtung“, so Ponti, denn sie sicherten auch die Kinder ab. Katharina wäre nach diesen Plänen automatisch die Mutter gewesen, da die Schmidts verheiratet waren – ein Umstand, der bei hetero­sexuellen Paaren ohnehin die Regel ist. Ist das Paar nicht verheiratet, könnte die Mitmutter in Zukunft das Kind anerkennen lassen, genauso wie es bei männlichen Partnern möglich ist.

Was bleiben wird: Als leibliche Mutter gilt die Frau, die das Kind zur Welt bringt. Und auch an dem Zwei-Eltern-Prinzip soll nicht gerüttelt werden. Heißt, auch künftig können Kinder maximal zwei rechtliche Elternteile haben, unabhängig davon, welche weiteren Regelungen getroffen werden.

Rechtssicherheit auch für Samenspender

Ein weiterer wichtiger Punkt der Reform ist nämlich die Einführung sogenannter Elternschafts­vereinbarungen. Diese würden neben der größeren Rechtssicherheit für Kinder und Zwei-Mütter-Familien auch mehr Sicherheit für Männer schaffen, so Ponti. Bislang haben Vereinbarungen etwa über Sorge- und Umgangsrecht, die Erwachsene vor Geburt des Kindes getroffen haben, keine rechtliche Bindung. Wenn beispielsweise ein lesbisches Paar gemeinsam mit einem schwulen Mann als Co‑Eltern die Kindererziehung gestalten und Verantwortung übernehmen will, gibt es keinerlei rechtlichen Rahmen dafür.

Ebenso fehlt Rechtssicherheit für Männer, die zwar privat den Samen spenden, aber kein Kind erziehen wollen. Bisher laufen sie Gefahr, später doch noch auf Unterhalt verklagt werden zu können – unabhängig davon, welche Vereinbarungen einmal getroffen wurden. Mit der Reform hätten Regenbogenfamilien nun die Chance, derlei Absprachen rechtlich abzusichern.

Mama, Mama, Kind – jetzt im Patchwork

„Diese Eckpunkte bringen nicht nur für lesbische Frauen Verbesserungen, sie werden den Lebens­wirklich­keiten von sehr vielen verschiedenen Menschen gerechter“, sagt Expertin Ponti. „Die Frage aber bleibt, wie man künftig die trans-, inter- und nicht binäre Elternschaft regeln möchte. Wir wünschen uns, dass auch hier die Diskriminierung beseitigt wird und zum Beispiel auch Elternteile, die das Geschlecht als divers angeben, ebenfalls durch Anerkennung oder Ehe rechtlicher Elternteil werden können.“

Inzwischen ist aus dem Baby im Kreißsaal ein großer, blonder Junge geworden. Im Sommer wird er seinen elften Geburtstag feiern. Hin und wieder müsse sie noch in Formularen handschriftlich das Wort „Vater“ mit „Mutter 2″ ersetzen, erzählt Katharina. Ansonsten erlebten sie kaum Diskriminierung, nicht einmal besonders viele Nachfragen. Zusammen sind Katharina und Dana inzwischen nicht mehr, Familie aber leben sie ganz selbstverständlich weiter: Mama, Mama, Kind – ab jetzt eben im Patchwork.

*Namen der Familie sind von der Redaktion geändert